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Aufruf zu Weltweiter Protesttag gegen Benetton |
Benetton vs. Mapuche. Die Chronik eines siegreichen Tages, von Sebastian Hacher ZNet 06.06.2004 ![]() In Esquel wurde die Gerichtsverhandlung im Fall Benetton gegen die Mapuchefamilie Curiñanco-Nahuelquir beendet. Das Ehepaar wurde von der dem italienischen Unternehmen gehörenden Immobilienfirma "Compañía de Tierras del Sur Argentino" beschuldigt, 530 der 900.000 in ihrem Besitz befindlichen Hektar Land in Patagonien besetzt zu haben. Atilio Curiñanco und Rosa Nahuelquir hatten im August 2002 Land besetzt, das sie als Eigentum des Staates ansahen um einen Familienbetrieb zu gründen, aber ein paar Wochen nachdem sie mit der Arbeit begonnen hatten, kam es aufgrund einer Beschwerde des Verwalters von Benetton zur gewaltsamen Räumung und zur Zerstörung all dessen, was die Familie im Laufe eines Monats erarbeitet hatte. ![]() Es handelte sich hier allerdings nicht einfach um einen Rechtsstreit um ein Stück Land zwischen einer einheimischen Familie und einem transnationalen Konzern. Bei den Zeugenaussagen, den Plädoyers der Rechtsanwälte und den zweihundert Delegierten der Mapuchegemeinden zeigte sich eine tiefgründige Diskussion über die Beziehungen zwischen indigenen Völkern, dem Staat, dem Recht und den Landbesitzern. Der Journalist ist laut Definition der Analytiker des Tages, und oft haben wir das Privileg, bei historischen Ereignissen anwesend zu sein. Gestern war einer dieser Tage. Darum glaube ich, dass ich das Recht habe, hier einigermaßen ins Detail zu gehen. Da es sich um ein komplexes Thema handelt, habe ich den Artikel in zwei Teile geteilt: Im ersten Abschnitt werde ich über die juristische Diskussion berichten, ob die Curiñancos sich der widerrechtlichen Aneignung schuldig gemacht haben oder nicht. Im zweiten Teil werden wir uns der gesellschaftlichen Diskussion widmen: wer laut Gesetz das Recht auf das Land hat, etwas, das am Montag festgestellt werden wird, wenn Dr. Eyo, der Richter in dieser Angelegenheit, das Urteil aussprechen wird, wofür er fünf Tage Zeit hat. Außerdem wird bald das gesamte Plädoyer von Dr. Gustavo Macayo, dem Anwalt der Familie, für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Hier ist der erste Teil eines Augenzeugenberichtes von einem Tag, als eine Familie und eine Stadt sowohl den Staat als auch die Gier eines der neuen Eigentümers von Patagonien niederrangen. Eine Mapuchefamilie auf der Anklagebank Der Richter verliest die Anklageschrift: Sie werden angeklagt, mit Mitteln der Gewalt die Immobilienfirma "Compañía de Tierras del Sur Argentino" ihres Eigentums beraubt zu haben, ein Verbrechen, das als Usurpation bezeichnet wird. Die zweihundert Mapuche, Studenten und Nachbarn im Gerichtssaal, die aus allen Gegenden gekommen sind, um bei der Verhandlung dabeizusein, verstummen. Die Verhandlung wurde in den Klubraum der Polizeibeamten verlegt, ein Raum, der hauptsächlich für Geburtstagsfeiern verwendet wird. Als erste Zeugen treten die Angeklagten auf, Rose Nahuelquir und Atilio Curiñanco. Letztes Jahr, als immer mehr in nationalen und internationalen Medien über den Konflikt berichtet wurde, boten die Vertreter von Benetton eine Einigung an: wenn sie das Land zurückgaben, würde Benetton die Klage wegen Usurpation zurückziehen, und alles wäre vergessen. Aber für das Mapuchepaar gab es kein zurück. Sie sagten ihre Wahrheit, in einfachen und ehrlichen Worten, und sie würden sich nicht wie Verbrecher behandeln lassen. Sie wiesen das Angebot zurück, das sie als weiteren Versuch ansahen, sie zu demütigen, und da waren sie nun, auf der Anklagebank, um bloßzustellen, wie der Staat und die Landbesitzer die Rechte der indigenen Völker missachten. Rosa sprach zuerst, langsam und spontan. Weder sie noch Atilio hatten ihre Aussage vorbereitet. "Es ist nicht notwendig," sagte sie zu uns. "Ich weiß sehr gut, was ich zu sagen habe: die Wahrheit." Während der letzten Tage konnten wir sie dabei beobachten, wie sie die Unterkünfte und das Essen für ihre Brüder und Schwestern organisierten, die von verschiedenen Orten der Region kamen, um sie zu unterstützen. Sie beherbergten mehr als hundert Bauern, alte und junge, die von den Bergen herunterkamen, und ihre Gemeinden und ihre Familien zurückließen, um sie mit Stärke und Solidarität in einem wichtigen Moment ihres Kampfes zu unterstützen. Am Dienstag in der Früh, vor Morgengrauen, versammelten sich die Mapuche am Rande von Esquel für die traditionelle Nguilliatum-Zeremonie, bei der sie mit den Mächten der Natur in Kontakt treten, die sie als Familie betrachten. Dort wurden Rosa und Atilio von ihren Verwandten, vor allem den Alten, umarmt. Mit Tränen in den Augen erhielten sie kurz nach der nebligen und strahlenden Dämmerung den Rat und den Segen der Lonko, der Mapucheautoritäten. Doña Celinda verabreichte ihnen Muday, ein traditionelles Mapuchegetränk, und sie gab ihnen Worte in ihrer geheimen Sprache der Erde mit auf den Weg. Der Lonko Segundino, der nach 72 Jahren der Abwesenheit nach Esquel zurückgekehrt war, um sie zu begleiten, ermutigte sie, indem sich er das Messer, das ihn seit beinahe einem Jahrhundert begleitet, an die Brust hielt. ![]() Dann, im kalten Gerichtssaal, wurde der Rat zu Worten. Rosa und Atilio erzählten, wie sie, als sie ihre Arbeit verloren hatten, beschlossen, auf das Land zurückzukehren, auf dem sie früher gelebt hatten, und es mit dem wenigen Geld, das ihnen von ihrer Arbeitslosenunterstützung blieb, zu bearbeiten. Im Februar 2002 stellten sie einen Antrag beim Siedlungsamt der Gemeinde, in dem sie um die Genehmigung der Besiedlung eines Gemeindeanwesens namens Santa Rosa ansuchten, neben dem Ort, wo Atilio geboren wurde, und in der Nähe des Zentrums der Estancia Leleque, die der Compañía de Tierras del Sur Argentino gehört. Sie erzählten auch, wie sie sechs Monate später, aufgrund einer mündlichen Antwort der Organisation zur Polizeistation von El Maitén gingen, um zu erklären, dass sie das Landstück besiedeln wollten. Dann begannen sie mit der Arbeit. "Wir haben keine Zäune niedergerissen. Da war nichts," erklärte Atilio. "Ich wurde an dem Ort geboren, und ich kenne ihn sehr gut. Wir besetzten ihn bei Tag, Gewalt war gar nicht notwendig… Niemand hatte je dieses Stück Land genutzt. Das Ganze hat uns verwundert, weil sie uns nicht respektiert haben… es ist bekannt, dass das immer Unterprivilegierten passiert, es zeigt, wie sie uns behandeln, genauso wie sie es mit unseren Vorfahren gemacht haben. Ich fühle mich durch diese Geschichte moralisch und körperlich angeschlagen, weil ich alles verloren habe und ich weiß nicht, ob ich es wieder zurückbekommen kann." Rose sagte auch, dass "sie mich beschuldigen, mein eigenes Land widerrechtlich in Besitz genommen zu haben. Ich wurde auf diesem Land geboren, ich wurde nicht in Italien geboren… Man kann nicht einfach daherkommen, und mich der Usurpation beschuldigen." Nach ihren Aussagen begannen die siebzehn Zeugen, die geschworen hatten, die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit zu sagen, in den Zeugenstand zu treten. Die Zeugen Als erstes trat der Verwalter für Benetton in den Zeugenstand, der auffälligerweise Ronald Mac Donald hieß. Seine Zeugenaussage war wichtig, denn die Anklage gegen die Curiñancos wurden aufgrund seiner Beschwerde formuliert. Als er vor dem Richter saß, wich das, was er sagte von seiner früheren Aussage ab, vielleicht weil er nervös war, oder weil das Unternehmen seine Strategie geändert hatte: Vorher hatte er ausgesagt, dass die Curiñancos den Zaun durchgeschnitten hatten, um auf das Grundstück zu gelangen; dass sie in der Nacht eingedrungen waren, und dass sie sich hinter dem Gebüsch niedergelassen hatten, um nicht bemerkt zu werden. In seiner neuen Aussage hatte er keine durchgeschnittenen Zäune mehr gesehen, sondern nur ein baufälliges Gatter, und er hatte das Haus von der Straße aus gesehen, aus seinem Auto. Als nächstes wurde ein Angestellter der Compañía de Tierras del Sur Argentino befragt, ein Hausmeister mit dem Nachnamen Nahuelquir — genauso wie die Angeklagte — der seit dreißig Jahren auf diesem Land arbeitet. Seine angebliche Zeugenaussagen wurden bei verschiedenen Gelegenheiten von Mac Donald und dem Anwalt des Unternehmens zitiert, um die Curiñancos der Usurpation zu beschuldigen. Keine der früheren Beschuldigungen tauchten bei der Verhandlung wieder auf. Voller Ehrlichkeit erzählte der alte Arbeiter, wie er von seinem Wachtposten aus die Curiñancos dabei beobachtet hatte, wie sie das Grundstück betraten. Als er aufgefordert wurde, die zerschnittenen Drähte zu zeigen — was beweisen würde, dass die Besetzer Gewalt angewendet hatten — sagte er, dass er keine gesehen hätte, und dass "sie seiner Meinung nach durch das Tor gekommen, oder über den Zaun geklettert waren." Er erklärte auch, dass bislang das Grundstück nur verwendet worden war, um die Pferde der Arbeiter unterzubringen, die bei der Compañía de Tierras del Sur Argentino Arbeit suchten, und die die Pferde nicht auf das Anwesen mitbringen durften, wie ein anderer Zeuge aussagte. Beide Erklärungen riefen sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Rosa Nahuelquir lächelte zum ersten Mal an diesem Tag — kurz nach Beginn der Verhandlung fing die Litanei an Lügen, die ihre Ankläger zusammengesponnen hatten, an auseinanderzufallen. Aber außerhalb des Raumes, auf der anderen Seite der Geschichte, rannten zwei junge Presseagenten der Compañía de Tierras del Sur Argentino auf und ab, und beschwerten sich in ihre Mobiltelefone darüber, dass die ersten beiden Zeugen bei ihrer Aussage versagt hatten. Die nächsten Zeugenaussagen verwandelten den Gerichtssaal in eine verschwommene, unscharfe Szenerie; manchmal sah es aus, als würde ein Stück absurdes Theater aufgeführt — oder vielleicht nur enthüllt. Die Diskussion über den Zaun — war er zerschnitten worden oder nicht — war eine wichtige Frage bei den Anschuldigungen gegen das Paar, nicht nur, weil das Land, das Benetton besitzt, von einem Drahtzaun umgeben ist, sondern weil es, wenn es bewiesen würde, die Usurpationsthese unterstützen würde. Die Landvermesser, deren Aussagen im zweiten Teil analysiert werden sollen, zeigten nur, was die Verteidigung später feststellen sollte: dass keiner von ihnen gegen die Landbesitzer aussagen kann, weil jeder von ihnen früher oder später ihr Angestellter sein wird. Einige leitende und sonstige Angestellte des Siedlungsamtes sagten auch aus, und erzählten, die Familie hätte sich in ihren Ämtern über das Grundstück erkundigt, und dass solche Anfragen nie schriftlich beantwortet wurden. Sie wiesen auch jede Verantwortung zurück und leugneten, ihnen die Genehmigung erteilt zu haben, sich auf dem Gelände niederzulassen. Mit auffallender Feindseligkeit, die aus ihrem herablassenden Ton bei der Beantwortung der Fragen von beiden Parteien ersichtlich war, zeigten sie, dass sie nichts über die Gesetzgebung über das Land der indigenen Bevölkerung wussten; Insbesondere wussten sie nichts über das Gesetz, das vorschreibt, dass indigene Völker bei der Beschlussfassung über diese Gebiete beteiligt sein müssen. Ricardo Risas erklärte sogar, unter Gelächter und Kommentaren von den Zuschauern, dass es in Argentinien kein brachliegendes öffentliches Land gebe. Er sagte, wenn es eines gäbe, "müssten alle die gleichen Möglichkeiten haben, weil wir alle Argentinier sind," was seine rassistische Einstellung gegenüber den indigenen Völkern zeigt, und alle Gesetze ignoriert, die anerkennen, dass die indigenen Völker schon vor dem Staat Argentinien existierten. Ein Korrespondent von Indymedia Argentina, Hernán Scandizzo, sagte aus, dass bei Recherchen in der Region eine Politik der systematischen Aneignung von indigenen Territorien von seiten der Compañía de Tierras del Sur Argentino zum Vorschein gekommen war. Er zählte aktuelle und frühere Zeugenaussagen auf, die er in Vuelta del Río in Leleque gesammelt hatte, wo er auf eine eingezäunte indigene Reservation stieß, und auf Überreste eines Hauses, und in anderen Gegenden ist es dasselbe: Indigene werden durch Landbesitzer wie Benetton enteignet. Er bestätigte auch, was mehrere andere Zeugen ausgesagt hatten: dass das Grundstück verlassen war, dass die Zäune verfallen waren, und dass die einzigen sichtbaren Verbesserungen von der Familie Curiñanco-Nahuelquir durchgeführt worden waren. Eine weitere aufschlussreiche Zeugenaussage kam vom Polizisten Eduardo Quijón, der in der Umgebung als Fürsprecher der Landbesitzer bekannt ist, und immer dann auftaucht, wenn eine Räumung, ein Streit oder eine Klage gegen Mapuchesiedler zustandekommen. Der Polizist hatte Schwierigkeiten zu erklären, warum er in einem Bericht geschrieben hatte, dass Atilio Curiñanco den Zaun zum Grundstück durchgeschnitten hatte. Er gab zu, dass er sie in dem Moment, als sie es angeblich taten, nicht gesehen hatte, und dass nur einer von den sieben "verrosteten, verrotteten und verfallenen" Zäunen (wie eine andere Zeugenaussage sie nannte), die das Grundstück umgeben, zerschnitten war. Seine Aussage war kurz, aber aufschlussreich, weil sie die Muster aufzeigte, die Parteinahme, die in den Berichten vorherrscht, die während der Kampagnen gegen die indigene Bevölkerung geschrieben werden, und die in der ganzen Region zu sehen ist. Die Plädoyers Martín Iturburu Moneff ist der Anwalt für Benetton, oder die Compañía de Tierras del Sur Argentino. Sein Bericht ist zweifelhaft, und er beharrt darauf, dass die Compañía de Tierras del Sur Argentino ein argentinisches Unternehmen ist, obwohl alle wissen, dass sie dem italienischen Unternehmen gehört, und er sagt, dass die Firma eine Aktiengesellschaft ist, und daher keiner weiß, wer die Besitzer sind. Um seine Position zu unterstreichen, trug er während der gesamten Verhandlung, nicht ohne Ironie, ein blau-weißes Abzeichen am Revers. Alle Repräsentanten von Benetton, wohlwollend oder nicht, trugen das gleiche Abzeichen, obwohl die nationalen Feiertage am Tag davor geendet hatten. Er beendete seine Aussagen mit der Bestätigung einer Änderung in der Strategie Benettons. Wo zuerst von Heimlichkeit und Gewalt von seiten der Familie Curiñanco-Nahuelquir die Rede war, sprach er nur mehr von offensichtlicher "Fahrlässigkeit". Seine langatmige Rede begann er mit den Worten: "Wir stehen hier vor einer juristischen und einer gesellschaftlichen Frage, und letztere ist es, die uns hier beschäftigt. Wir haben nichts mit der strafrechtlichen Klärung zu tun." Mit diesen Worten nahm er in der Tat seine vorigen Schritte zurück. Die strafrechtlichen Anklagen wegen Usurpation gründeten sich auf Dokumente, die er selbst vorgelegt hatte, und die nun, im Lichte der Zeugenaussagen, unhaltbar geworden waren. Er erklärte, dass man, wenn man einen Pullover kauft — zufälliges Beispiel? — sich zuerst erkundigt, woraus er besteht, wer ihn hergestellt hat, und wieviel er kostet, dann fuhr er fort, dass es sich hier um dasselbe Prinzip handelt. Dass die Curiñancos versuchen hätten sollen, herauszufinden, ob das Land öffentlich war oder nicht. Obwohl er zugab, dass sie bei der Polizei um Informationen angesucht hatten, sagte er, "sie haben nicht beim Siedlungsamt gefragt, weil sie wussten, dass sie erfahren würden, dass das Land nicht öffentliches Eigentum ist." Für ihn handelte es sich im besten Fall um "Fahrlässigkeit", die zu einer "Schädigung der Interessen der Compañía de Tierras del Sur Argentino" geführt hätte. Dann erörterte er das Problem der Vermessungen und der Eigentumstitel, die wir im zweiten Teil besprechen werden, und kam zu dem Schluss, dass die Curiñancos "wussten, dass es sich um Privateigentum handelt". Als nächstes kam der Staatsanwalt um festzustellen, was für ein Verbrechen begangen wurde, und die Anklageschrift zu verlesen. Aber diesmal wurde seine Rede völlig überraschend zu einer leidenschaftlichen Verteidigung der Mapuchefamilie. Er wies darauf hin, dass mindestens eine von fünf Bedingungen erfüllt sein muss, damit man von Usurpation sprechen kann: Heimlichkeit, Täuschung, Vertrauensbruch, Gewalt oder Drohung. Punkt für Punkt zeigte er, dass aufgrund der Zeugenaussagen und der vorgeführten Beweise keine dieser Charakteristiken dem Verhalten der Mapuchefamilie zugeschrieben werden kann, und dass daher der Prozess aufgrund von Mangel an Beweisen nicht fortgeführt werden könnte. Die Zuschauer begrüßten seine Rede mit Applaus, der sich noch verstärkte, als der Richter darauf hinwies, dass er, wenn die Staatsanwaltschaft keine Anklage verlese, nicht anders könne, als die Familie freizusprechen. Er müsse nur noch die zivilrechtliche Frage klären, nämlich wem das Land gehört. Die Spannung die im Saal spürbar gewesen war, und die Besorgnis, die sich in vielen Gesichtern gezeigt hatte, löste sich mit einer gewissen Zärtlichkeit auf. Dr. Hualpa, einer der Verteidiger, erklärte: "Mein Klient möchte auf die Toilette gehen. Ich glaube er kann, weil er nicht länger angeklagt ist." Die Leute im Zuschauerraum lächelten, riefen mit erhobenen Fäusten "Marici Weu!" und es kam zu einem Ausbruch von Umarmungen und Tränen, die in über einem Jahr des Kampfes zurückgehalten worden waren. Der Richter musste vor der Urteilsverkündung eine kurze Pause einlegen lassen. Draußen begannen die alten Frauen, die bei der Verhandlung anwesend waren, zum Takt des Kultrums und einem schönen und tief empfundenen Lied von Doña Celinda, mit kurzen Schritten zu tanzen; sie hielten sich bei den Händen und antworteten auf die Rufe und die Laute der Männer, die die Blasinstrumente der Mapuchekultur spielten. Auf ihren Gesichtern sah man Lächeln und viele Tränen. Es war ein Tanz der Freude, der Würde und des Kampfes. Gemeinsam hatten sie sich gegen einen typischen Vorgang in der Region gewehrt: Einfache Familien werden auf gut Glück von einem Stück Land vertrieben, und dann wird vor Gericht die Frage diskutiert, ob das Land ihnen gehört oder nicht. Diese Art von Eroberung und Plünderung hat sich seit der "Eroberung der Wüste" immer wieder wiederholt und im Laufe der Geschichte zu viel Blut und Widerstand in der Region geführt. Nach zehnjährigem Kampf wurde vor weniger als einem Monat der Richter Collabelli, der auch an diesem Verfahren beteiligt gewesen war, aufgrund solcher Praktiken entlassen. In seinen Urteilen sind es immer die Mapuchefamilien, die delogiert werden. Es wird ihnen das Recht vorenthalten, sich zu verteidigen, und sie verlieren ihr Eigentum, bevor sie verurteilt werden. Mit dieser Anklage hat Benetton unter dieser Vorgangsweise Zuflucht gesucht, um die Familie Curiñanco zu vertreiben, und sogar der Sprecher des Unternehmens, Federico Sartor hatte in seinen Antworten auf einige meiner Artikel zwei Monate vor der Urteilsfindung damit geprahlt, dass das Urteil bereits gefällt sei. Gestern schließlich machten die Mapuche die Öffentlichkeit auf diese Praxis aufmerksam, und zeigten auch, dass die Verfassung, die besagt, dass die indigenen Völker ausreichend geeignetes Land für ihre Entwicklung haben müssen, bisher nichts als wertloses Papier war. Wir sind möglicherweise Zeugen des Anfangs vom Ende von vielen Dingen, unter anderem der Benetton-Collabelli-Doktrin, die sagt, dass die Mächtigen immer im Recht sind. Fotos: Frühere (spanischsprachige) Artikel zum Thema auf Indymedia Argentina (Spanisch): – Instrucciones para hacer latifundios I http://argentina.indymedia.org/news/2003/09/136320.php |